++++ Salzburger Nachrichten am 06. Juni 2002 - Bereich: kultur Was in der neuen Kunst Sache ist Frankfurt beherbergt in diesem Jahr zum ersten Mal die junge Kunst-Biennale "Manifesta". Die Initiative liefert Beiträge zum Europa-Gedanken.JANA WISNIEWSKI Barrieren zwischen Nationalitäten und Geschlechtern will man abbauen und dem jeweiligen Stand der Dinge in der Kunst nachspüren. Das Rotationsprinzip für Ort und Kuratoren sowie Teamarbeit sind entscheidend. Als Hauptträger tritt jeweils die erwählte Stadt auf, heuer Frankfurt. Das Künstlerhaus Mousonturm hat sich als Ort der Organisation und Produktion profiliert. Verantwortlich für die Auswahl der Beiträge sind die Kuratorinnen Iara Boubnova, Gründungsdirektorin des Instituts für zeitgenössische Kunst in Sofia, Nuria Enguia Mayo, Chefkuratorin der Tapies Stiftung in Barcelona, und Stephanie Moisdon Trembley, unabhängige Kuratorin und Mitbegründerin des "bureau des video" in Paris. Die drei Kuratorinnen, die sich vorher nicht gekannt hatten, haben Teamarbeit mit großer Offenheit praktiziert. Der Frankfurter Kunstverein, das Städelsche Kunstinstitut und der erstmals für Kunstzwecke adaptierte Frankensteiner Hof sowie viele kleinere "Kunstplätze", zudem Radio und TV in Hessen sowie das Internet bieten auch längerfristig zeitgenössische Kunst, von Videorecherchen über Zeitungsprojekte, "politische Arbeit" bis zu Projekten im Netz. Als wesentliche Erfahrung zeigte sich für die Kuratorinnen, dass die Zeiten von Kunst als utopischer Entwurf oder reine "Schönheit" vorbei zu sein scheinen. Ob Groß oder Klein: Der "Normalverbraucher" wird eifrig studiert und letztlich instrumentalisiert. Der schwedische Künstler Mans Wrange hat ein Experiment durchgeführt, indem er, zusammengetragen aus diversen "Durchschnittswerten", eine "Durchschnittsperson" schuf, die dann mit all dem konfrontiert wurde, was gut und teuer, also "markengerecht" ist. Nach üblichen Maßstäben vermarktbar ist Kunst, wie sie auf der "Manifesta" präsentiert wird, nicht. Künstler schaffen sich eigene Marktgesetze. Im Vorfeld der Ausstellung hat beispielsweise der für die "Manifesta" nominierte Künstler Christof Büchel mit Genehmigung der Biennale-Leitung seine Einladung über ein Auktionshaus im Internet versteigert. Er nahm dafür 15.099 Dollar ein - jenes Geld, das "ausgegeben" wurde, um die Teilnahme der Künstlerin Sal Randolph aus New York zu ermöglichen. Die "evolutionären zellen" kreieren einen eigenen Preis, der "selbstbeauftragtes Gestalten gesellschaftlicher Perspektiven" honorieren will. In Theoretiker und Praktiker lassen sich die Kreativen kaum mehr einteilen. Da die Künstler nicht nur reisen, um an Ausstellungen teilzunehmen, sondern oft auch ihren Wohnsitz direkt an Orte verlegen, die gerade für ihr Arbeitsfeld aktuell sind, sind Migration, temporäre Bindungen, Fremdheit, Ausgesetzt-Sein wesentliche Themen, die sozusagen "hautnah" erfahren und künstlerisch verarbeitet werden. "Manifesta" Frankfurt, an verschiedenen Orten, bis 25. 8., tägl. 11-19 Uhr. Besucherservice: 0049/69/40 58 95-808.