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Manifesta. Geschichte und Konzept
art kaleidoscope | Februar bis Mai 2002
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++++ Am 24. Mai wird die "Manifesta 4. Europäische Biennale für zeitgenössische Kunst" in Frankfurt eröffnet. Aber was genau ist die Manifesta? Was will sie? Wo liegen die Unterschiede zu all den anderen Biennalen oder der Documenta? Warum schlägt sie ihr Lager alle zwei Jahre in einer anderen europäischen Stadt auf? Fragen über Fragen und Grund genug, Hedwig Fijen von der International Foundation Manifesta zu bitten, die Zielsetzungen des "Konstrukts Manifesta" einmal grundsätzlich vorzustellen. Was davon die Manifesta 4 schließlich realisiert, kann der Besucher vom 25. Mai bis zum 25. August dann selbst überprüfen.



Die Ursprünge
Der Gedanke, eine neue europäische Biennale für zeitgenössische Kunst zu gründen, wurde in den frühen 90er Jahren im Gefolge der politischen Wiedervereinigung Europas in Den Haag gefasst. Gijs van Tuyl, damals Kommissar für den holländischen Pavillon auf der Biennale von Venedig, ergriff die Initiative. Verschiedene andere nationale Kommissare in Venedig, darunter René Block (Deutschland), Svenrobert Lundquist (Skandinavien) und Henry Meyric Hughes (England) waren begeistert, eine neue Plattform für junge Künstler bereit zu stellen, die bisher aus den üblichen Netzwerken der Information und Distribution ausgeschlossen waren. In gewissem Sinn ist die Manifesta also aus der Biennale von Venedig entstanden und als Reaktion auf deren offensichtliche Unfähigkeit – und der Unfähigkeit ähnlicher groß angelegter Kunstereignisse wie der Documenta – schnell auf die Bedürfnisse junger Künstler in einer politischen und ökonomischen Umgebung, die rapidem Wandel unterworfen ist, zu reagieren.

Worin unterscheidet sich die Manifesta von anderen Biennalen und internationalen Kunstereignissen für zeitgenössische Kunst?
Die Manifesta hat das grundlegende Ziel, ein europaweites Netzwerk für die visuellen Künste zu etablieren, das sich auf direkte persönliche Kontakte gründet und sich als Antwort auf die verschiedenen Prozesse entwickelt, in denen sich Künstler engagieren. Ein Netzwerk, das sich mit veränderten Kontexten für die Präsentation künstlerischer Arbeit beschäftigt. Die Manifesta ist kein gewöhnliches Ereignis, auch wenn das Hauptaugenmerk auf einer alle zwei Jahre auszurichtenden Ausstellung liegt, die jedes Mal in einer anderen europäischen Stadt stattfindet. Die Ausstellungen sind nur ein Aspekt eines fortlaufenden Dialogs zwischen Künstlern, Theoretikern und der Öffentlichkeit. Die Manifesta will auch ein interaktiver Workshop zur Reflexion neuester Entwicklungen der Veränderungen der aktuellen sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Realitäten in Europa sein. Sie funktioniert wie ein offenes Netzwerk, das den Wert von demokratischen Prozeduren, von Zusammenarbeit und interaktiver Kommunikation durch neue Medien wie dem Internet betont. Indem die Manifesta alle zwei Jahre den Ort wechselt, ist sie jedes Mal gezwungen, neue Realitäten aufzunehmen und in einen Dialog mit einer Reihe von Partnern zu treten. Somit bietet sie eine brauchbare Alternative zu den dominanten westeuropäischen Kanälen künstlerischer Kommunikation.

Was ist die Position der Manifesta gegenüber der Biennale in Venedig und der Documenta?
Zu Beginn der 90er Jahre versagten sowohl die Biennale von Venedig wie auch die Documenta ganz eindeutig darin, der sich schnell ändernden politischen und kulturellen Umgebung in Europa in ihrer ganzen Tragweite angemessen Rechnung zu tragen. Die vorausgegangene Absetzung der Pariser Biennale des Jeunes hatte eine Lücke hinterlassen, auch im Unterschied zu den zwar immer lebhafteren, aber kommerziell orientierten Kunstmessen in Basel und Köln – eine Lücke, die auch von Aperto in Venedig seit den frühen 80er Jahren nur teilweise geschlossen werden konnte. Die nationalen Pavillons der Biennale von Venedig haben schon immer dahin tendiert, die Arbeit von Künstlern zu präsentieren, die in ihrem eigenen Land schon etabliert waren. Das bedeutete, dass während der gesamten Dauer des Kalten Krieges insbesondere die osteuropäischen Länder eine offizielle Sicht auf die Kunst ihrer jeweiligen Länder präsentierten, die nicht mit dem übereinstimmte, was das vorwiegend westeuropäische Publikum sehen wollte. Darüber hinaus zeigten die italienischen Organisatoren der Hauptattraktionen im zentralen Pavillon und anderswo einen deutlichen Mangel an Neugier an den Aktivitäten von jüngeren Künstlern, die an der Peripherie von Europa arbeiten, es sei denn, diese profitierten bereits von der Vertretung durch eine kommerzielle Galerie. Als Ergebnis dieser Haltung vermittelte die Biennale oft den Eindruck, sie sei mehr an den exotischen Kulturen des Fernen Ostens und der ”Dritten Welt” interessiert als an den Kulturen der ehemaligen ”Zweiten Welt”, zum Beispiel in Ost- und Südosteuropa oder an Repräsentanten von Minderheitskulturen innerhalb Europas, von denen eine ständig steigende Anzahl außereuropäische Verbindungen hat. Achille Bonito Oliva versuchte die Biennale für eine breitere Beteiligung von Künstlern aus kleinen Ländern und von Minoritäten zu öffnen, aber er hatte nur einen begrenzten Erfolg. Es dauerte bis zu Harald Szeemanns ”Dappertutto” im Jahr 1999, bis eine gewisse Neuausrichtung gelang.
Die Documenta wurde ursprünglich als eine bewusste Antithese zu den offiziellen kulturellen Programmen der Ostblockländer in den 50er Jahren gegründet und hat unverantwortlicherweise bis zuletzt der Region fast den Rücken zugekehrt. Dies kann zunächst den persönlichen Vorlieben der aufeinanderfolgenden Direktoren zugeschrieben werden, die eine fast uneingeschränkte Wahlfreiheit genossen und an keine Verpflichtung gebunden waren, etwas anderes als ihr persönliches Urteil und ihre Erfahrung zu vertreten.
Die Kuratoren der Manifesta 1 (Rotterdam 1996), 2 (Luxemburg 1998) und 3 (Ljubljana 2000) jedoch erkannten schnell das Aufkommen einer neuen Künstlergeneration in Ost und West, die sich weniger mit den ideologischen Kämpfen der Vergangenheit beschäftigten als mit den Auswirkungen der Globalisierung und neuer Technologien sowie der Notwendigkeit neue Ansätze für das Machen, das Präsentieren und die Förderung von Kunst zu finden.

Konzentriert sich die Manifesta hauptsächlich auf Ost–West Beziehungen?
Die Manifesta konzentriert sich nicht spezifisch auf geographische Ost–West Parameter, auch wenn die Öffnung Osteuropas für sie in den frühen Tagen einen besonderen Impuls bedeutete. An den ersten beiden Teams der Manifesta waren Kuratoren aus Zentral- und Osteuropa beteiligt. Diese organisierten Workshops, Debatten und Tagungen an Orten, die vorher nicht von westlichen Kuratoren besucht worden waren – daher genießt die Manifesta den Ruf, eine der wenigen Plattformen zu sein, die für osteuropäische Künstler zugänglich ist. In Wirklichkeit jedoch gewährt die Manifesta allen Künstlern einen gleichberechtigten Zugang, die in jener Region arbeiten und leben, die wir unter der weitesten geopolitischen Definition des Begriffs ”Europa” verstehen, welcher Herkunft sie auch sein mögen.

Was ist der Einfluss der Manifesta auf eine neue Generation von Künstlern und Kuratoren?
Zwischen 1993 und 2000 arbeiteten 12 Kuratoren mit vielfältigen unterschiedlichen kulturellen Prägungen intensiv an den aufeinanderfolgenden Ausgaben der Manifesta zusammen. Sie entwickelten neue Formen der Zusammenarbeit, erweiterten ihr eigenes Netzwerk und das der Manifesta, sie agierten als Botschafter für das Ereignis und wurden in den internationalen Kunstbetrieb integriert. Die meisten dieser 12 Kuratoren wurden in der folgenden Zeit dazu eingeladen, andere Biennalen und wichtige Kunstereignisse zu kuratieren, einschließlich der Biennale in Istanbul, der Biennale in Berlin, der Biennale in Santa Fe und Teile der Biennale in Venedig.
Ähnliches kann über den Einfluss der Manifesta auf die Karrieren der 186 europäischen Künstler und Künstlergruppen gesagt werden, die bisher an dem Ereignis teilgenommen haben. Für viele von ihnen bedeutete die Manifesta die erste internationale Ausstellung und die erste Gelegenheit, mit Künstlerkollegen und Kuratoren unterschiedlichen kulturellen Hintergrunds zusammenzuarbeiten, genauso wie mit einem jungen, gut informierten und nachfragenden Publikum. Die Werke von über 90% der Künstler, die an den ersten drei Ausgaben der Manifesta beteiligt waren, wurden in großen internationalen Zeitungen und Kunstzeitschriften veröffentlicht. Ihre Arbeit wurde auch durch das Internet sichtbar gemacht, durch Kataloge, weitere Veröffentlichungen und Werbematerial, das von der Manifesta finanziert wurde. Durch ihre Aktivitäten und vielfältigen Kontakte zur etablierten Kunstwelt gelingt es der Manifesta, viele neue Möglichkeiten für junge Künstler aus ganz Europa zu einem kritischen Zeitpunkt am Beginn ihrer Karriere zu bieten.

Wie unabhängig arbeiten die Kuratoren?
Eine Schlüsselfunktion der Internationalen Stiftung Manifesta ist es, den Ruf der Biennale für intellektuelle und künstlerische Integrität zu bewahren. In diesem Sinn tragen die Stiftung und die gastgebende Stadt eine gemeinsame Verantwortung innerhalb der vorgegebenen legalen und finanziellen Grenzen: sie garantieren den Kuratoren volle Unabhängigkeit in ihrer Wahl der Künstler und Künstlerprogramme und sie schützen vor jeglicher Form der Zensur oder ungerechtfertigtem Eingriff in jeder Phase der Auswahl, bei der Installierung der Arbeiten in der Ausstellung, beim Vorbereiten des Materials für die Veröffentlichung im Katalog und der Darstellung ihrer Ideen in einer öffentlichen Debatte. Insbesondere schützen der Vorstand und der Gastgeber die Kuratoren vor allen Formen des politischen, kommerziellen oder populistischen Drucks, die ihrer Ansicht nach die Unabhängigkeit des Urteils und der Arbeit kompromittieren könnten. Im Austausch erwarten Vorstand und Gastgeber von den Kuratoren eine breite Auswahl von Künstlern und Kunstwerken, die sowohl die Verschiedenheit der Kulturen in Europa umfassend reflektieren als auch die Bandbreite möglicher Formen künstlerischen Ausdrucks.

Was sind die Maßstäbe für den Erfolg von Manifesta?
Bis jetzt war noch keine Manifesta-Ausstellung ein Kassenschlager, auch wenn jede ein Publikum angezogen hat, das die normale lokale Besucherzahl weit übersteigt. Eine Erklärung ist, dass das Publikum mit den teilnehmenden Künstlern nicht vertraut ist und viele Werke ”schwierig” sind. Ein weiterer Grund mag die bewußte Wahl der Städte sein (Rotterdam, Luxemburg, Ljubljana und sogar Frankfurt), die etwas entfernt von den Touristenwegen und auch etwas abseits von den wichtigen Zentren künstlerischer Produktion liegen. Dennoch zieht die Manifesta regelmäßig ein großes Fachpublikum aus ganz Europa an.
Wenn Nacheifern ein Zeichen für Erfolg ist, braucht man nur auf ähnliche Initiativen in der jüngsten Vergangenheit hinzuweisen, wie die Biennale von Berlin 1998, die Biennale in Liverpool 1999 und die Biennale von Santa Fe 2000, die sich alle etwas von der Manifesta geliehen haben, ohne jedoch jemals so weit zu gehen, ihre organisatorische Struktur oder ihr nomadisches Prinzip zu kopieren.
Der wichtigste Aspekt des bescheidenen Erfolgs der Manifesta ist ihre sofortige Akzeptanz beim allgemeinen Publikum als eine der wichtigsten Plattformen für junge Künstler, Kritiker und Kuratoren. Und die Tatsache, dass sie als eine wesentliche Quelle der Information für Kunstschaffende aus der ganzen Welt gesehen wird. Die Manifesta hat die Entstehung einer neuen Generation von jungen Künstlern und Kuratoren gefördert, die das Vertrauen und die Fähigkeiten haben, ihre internationale Karrieren weiter zu entwickeln. Sie hat auch das Publikum für zeitgenössische Kunst erweitert, in neue Richtungen und in neue geographische Zentren geführt.

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von/by Hedwig A.M. Fijen

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