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Künstlerporträts (46): Alonso Gil
Frankfurter Rundschau | 20.07.2002
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++++ Der Sänger hat nur ein Stück Wellpappe unterm Arm, das er vielleicht aus einem Supermarktkarton ausgerissen hat. Seine Hand rutscht so schnell und in so vielseitigen, immer wieder kehrenden Mustern über die wellige Seite, dass auch die Kamera nicht richtig folgen kann - ein verwischendes Geschüttel der Hand, das eine erstaunliche musikalische Tragfläche herstellt. Den Rest macht die Stimme. Sie singt irgendwas von den Gipsy Kings, aber die Traurigkeit des Sängers hört sich ganz anders an, und das Raue in seinem Gesang ist keine Pose. Er trägt eine billige Polyester-Jogginghose, und sein Gesichtsausdruck kündet von Drogenkonsum.
Ähnlich dem Film von Esra Ersen (Künstlerporträt 44) über die Straßenkinder von Istanbul befasst sich der Manifesta-Beitrag von Alonso Gil mit den Ausgestoßenen der Städte. Seine Protagonisten sind Bettler und Trickdiebe, die sich einer ungewollten Dienstleistung verschrieben haben - dem Singen an Restauranttischen und Straßenecken.
Bei Manchen von ihnen wird das Elend zur Waffe. Eine Frau mit eingefallenem Gesicht nötigt den Zuhörern ein Lied auf, das von ihren drei Kindern handelt, die sie mit ihren bescheidenen Gesangs- und Rhythmusfähigkeiten durchzubringen versucht. Denn singen, so singt sie, sei besser als stehlen. "Warum schläfst du nicht mit mir?", fragt sie irgendwann unvermittelt, denn das bringt mit etwas Glück wahrscheinlich mehr ein als singen und stehlen zusammen.
Alonso Gil wurde 1966 in Spanien geboren und lebt in Sevilla, wo auch sein Film entstand. Ein Film, in dem die Betrachterposition fast dieselbe ist, als wäre man am Ort, in einem Straßencafé. Dieselbe Abfolge von Mitleid, Anerkennung der musikalischen Qualitäten, Unwohlsein, sozialem schlechten Gewissen gemischt mit Bettlerromantik, und schließlich dem Gefühl, das möge bitte möglichst schnell zuende sein, spielt sich beim Betrachten von An Error Occurred ab. Dann kommt gewöhnlicher Weise die Stelle mit dem Kleingeld, an der man sich frei kauft. "Nicht, um sie zu ernähren, nicht um sie singen zu hören", weiß Alonso Gil. "Sondern um sie zum Schweigen zu bringen, da ihr Anblick oft ein unerträglicher ist."
Städelsches Kunstinstitut, Holbeinstraße 1, bis 25. August. hoh

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