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Künstlerporträts (54): 0100101110101101.org Frankfurter Rundschau | 30.07.2002
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++++ Nulleinsnull was? Hinter dem unaussprechlichen Namen, der sich auf Binärcodes bezieht, verbergen sich zwei interessante Webkünstler. Dass sie anonym bleiben wollen, ist Teil ihres künstlerischen Konzepts. Stellen sie damit doch demonstrativ die gängige Auffassung von Urheberschaft und Copyright in Frage. Sie gingen sogar so weit, anlässlich der 49. Biennale in Venedig ein Jahr lang ihre Festplatten öffentlich zur Verfügung zu stellen. So konnten die Besucher ihrer Website nicht nur alle ihre Programme herunterladen und sämtliche Dateien einsehen, sondern auch die privaten Mails lesen.
Für die Manifesta 4 haben sich 0100101110101101.org ein System aus drei verschiedenen Netzen zusammengesetzt und dokumentieren seit Anfang des Jahres täglich, wo sie sich befinden. Mit einem GPS-Transmitter (Global Positioning System) senden sie per Mobilfunknetz ihren Standort, der auf einer Landkarte in ihrer Website eingezeichnet wird.
Gegenstand ihrer Arbeit sind die Konsequenzen, die für die Gesellschaft aus neuen Technologien erwachsen. Konsequenzen, die so lange es noch gut läuft, nie hinterfragt werden. Die beiden Medienkünstler exerzieren an sich selbst den gefürchteten öffentlichen Datenhorror, der das Einbüßen der Privatheit zur Folge hat.
Dabei erforschen sie gleichzeitig Möglichkeiten der künstlerischen Produktion im Netz. Eine davon - wohl die bislang provokanteste, aber wenig beachtete Idee des Künstlerduos - war das Erstellen der Website www.vatican.org. Fast identisch zu der des Heiligen Stuhls, aber mit leichten Abweichungen, stand sie ein ganzes Jahr lang unbeanstandet im Netz, und wurde dann von 0100101110101101.org selbst enttarnt.
Die Enttarnung von gesellschaftlichen Umständen am eigenen Leib verlangt den Künstlern auch die Preisgabe ihrer Privatsphäre ab. So lässt sich anhand ihrer Website zum Beispiel nachvollziehen, dass sie am 25. Mai vor dem Manifesta-Eröffnungs-Event gegen halb elf noch im Bahnhofsviertel unterwegs waren, den Tag des WM-Endspiels am Gardasee verbracht haben, und sich gestern in Barcelona in einem Viertel westlich der Altstadt aufhielten.
Dass sie sich der technischen Nachvollziehbarkeit ihres Lebens bewusst sind, dürften sie den meisten Menschen voraus haben. Doch sie arbeiten daran, das zu ändern: "0100101110101101.org enttarnt, wie ganz gewöhnliche Bürger die Kontrolle über die Informationen über ihre Person verlieren, die mittlerweile für jeden zugänglich sind, der dafür bezahlen kann."
Terminal im Frankensteiner Hof, Große Rittergasse 103, bis 25. August. Im Netz unter www.0100101110101101.org. hoh
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