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Künstlerportraits (32): Kalin Serapionov
Frankfurter Rundschau | 04.07.2002
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++++ Kann sein, dass die junge Frau nicht begeistert wäre, wenn sie wüsste, dass die Begegnung mit ihrer Freundin am Zürcher Hauptbahnhof jetzt Teil einer Ausstellung ist. Es wäre ihr sicher peinlich, dass man ihrem Begrüßungsküsschen seine Aufgesetztheit so sehr ansieht. Der Mund weicht der Wangenberührung aus, und das liegt nicht am Lippenstift. Aber wenn man sich unbeobachtet fühlt, und das tut man vermutlich wesentlich häufiger, als es eigentlich der Fall ist, legt man nicht so viel Wert auf Selbstkontrolle. Auch gut zu sehen an dem Herrn in der sportiven Vliesjacke: Sein Nichtstun und Warten wirkt eigenartig anrührend auf der großen Leinwand, fast bloßgestellt ist er in seiner Versunkenheit.
Kalin Serapionov dokumentiert alltägliche Wartesituationen am Bahnhof mit der Videokamera - unbemerkt. Damit tritt er den unfreiwilligen Darstellern seines Films eindeutig zu nahe. Ähnlich wie der Schweizer Fotograf Beat Streuli, der mit der Fotokamera unbemerkt Fußgänger ablichtet und ihnen auf diese Weise unspektakuläre, aber gleichzeitig erstaunlich ausdrucksstarke Augenblicke abtrotzt, geht Serapionov mit der Videokamera vor.
Im Videoraum entsteht eine merkwürdige Situation: Der Besucher wird automatisch zum Voyeur und vollzieht Serapionovs heimliche Aneignung von privaten Momenten fremder Menschen noch einmal nach. Aber auch die Größe der Projektion trägt zur Irritation bei. Eine solch banale Handlung, dazu noch eine ohne Genehmigung der Betreffenden aufgezeichnete, auf großen Wänden zu sehen, bedeutet ein Missverhältnis von Form und Inhalt.
Oder es bedeutet, dass der Inhalt - das banale Begrüßen und Warten - eine neue Dimension bekommt. Die heimlich beobachteten Personen sind auf zwei aneinander angrenzende Leinwände projiziert. Das Ziel des in Bulgarien geborenen Künstlers ist, die transitorische, unkontrollierte Situation überfüllter, öffentlicher Plätze einzufangen und in das geschlossene System einer laborartigen Kulisse zu verlagern.
Gelegentlich wird das friedliche, bisweilen fast ziellos wirkende Beisammensein von Individuen, das meist ohne Berührungspunkte bleibt, unterbrochen von lauten Störgeräuschen. Sie verhindern, dass man es sich zu gemütlich macht beim unautorisierten Beobachten. Dann entsteht ein fast bedrohlicher Eindruck von Verletzlichkeit.
Frankfurter Kunstverein, Steinernes Haus, Römerberg 44 hoh

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